Gast-Beitrag zur „Women´s Week“ II Carearbeit

Von Robert Beckmann:

Gemeinhin wird Care-Arbeit „als die Tätigkeit des Pflegens und Sichkümmerns“ bezeichnet. Darunter fallen neben der Kinderbetreuung auch die Pflege von Familienangehörigen.


Frage: was bringt Menschen dazu so etwas zu machen?


Es ist wichtig diese Frage zu stellen, denn sie wirft ein interessantes Licht auf unsere gesellschaftlichen Erwartungshaltungen, die wir an Frauen richten; denn es sind hauptsächlich Frauen, die Care-Arbeit durchführen.
Auch wenn wir eine Selbstverständlichkeit in ihrem Einsatz sehen, müssen wir aktiv nach den Auswirkungen fragen und was „dieses nette Aufopfern“ für diejenigen bedeutet, die sich täglich auf eigene Kosten für ihre Umgebung einbringen und welche Konsequenzen das für die Gesellschaft bedeutet.


Jedes Jahr leisten Frauen über 12 Milliarden Stunden* unbezahlte Arbeit, während Männer (häufig) ihren „regulären Arbeiten“ nachgehen. Wie kann es in unserer Gesellschaft dazu kommen, dass wir ehrenamtliche, unbezahlte Arbeit im häuslichen Bereich auf die Schultern von Frauen stemmen? Dies hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf das soziale Bild, das wir an unsere nächste Generation weitergeben, sondern auch auf die Zukunft eben diesers hilfsbereiten Frauen.
Darüber hinaus wird unbezahlte Care-Arbeit häufig als Selbstverständlichkeit oder „Hobby“ angesehen, obwohl sie in jedem Sinne Arbeit darstellt. Diese Ignoranz führt dazu, dass es gesellschaftlich dermaßen leichtfällt, diesen Aufwand nicht angemessen zu honorieren.


Trotz liebloser Bemühungen unserer Politik werden das Erziehen der Kinder, die Pflege von Angehörigen und Care-Arbeit weiterhin als „weibliche“ Obliegenheit angesehen. Aufgrund der fehlenden Bezahlung wird dieses „Hobby“ gar nicht oder zumindest zu wenig auf die spätere Rente angerechnet. Das führt zu einem eklatanten Einkommensmissverhältnis und weitergehend zu extremen finanziellen Unterschieden im Alter. Dies kann bis hin zur Altersarmut führen. Da wird quasi aufgrund „ehrenamtlicher Hobbyarbeit“ bereits frühzeitig der Grundstein gelegt, dass auch im Alter Frauen abhängig von ihren Männern sind.


Jede*R weiß es, aber trotzdem dümpelt das System weiter vor sich hin. Und wieso?


Die Gesellschaft baut auf genau diese ehrenamtliche Arbeit und könnte in ihrer jetzigen Form nicht ohne sie existieren. Das wird leider zu häufig vergessen. Würde man sich nämlich daran erinnern, müsste man etwas ändern. Und das ist anstrengend. Und kostet. Da muss es wohl doch mit einem Lippenbekenntnis für Wertschätzung herhalten. Ist halt günstiger.


Vielleicht sollten wir alle, Achtung: noch mehr Zynismus, einfach wieder mal jeden Abend für diejenigen Menschen klatschen, die ihr Leben für uns aufopfern. Denn scheinbar ist unsere Gesellschaft nicht in der Lage dazu (oder willens) ein gerechtes System für Frauen zu schaffen, das nicht auf der finanziellen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft beruht.
Was wir aber auf jeden Fall machen müssen (und auch anständigerweise sollten) ist unsere Dankbarkeit auszudrücken, sowohl als Individuen als auch gesellschaftlich in unserer Gesamtheit. Nicht nur durch Klatschen, sondern durch eine finanzielle und soziale Absicherung. Denn dadurch werden Menschen nicht ausgebeutet, sondern für ihren wertvollen Einsatz entlohnt.
Dieses ganze Thema ist nicht unbekannt. Seit einiger Zeit rückt es immer weiter in die Aufmerksamkeit. Die „Women’s Week“ ist dabei ein wichtiges Instrument. So hat beispielsweise Maren Kroymann in ihrem Video „Das Verhör“* die Gemengelage und sozialen Folgen der Care-Arbeit auf den Punkt gebracht.
Das Zauberwort an dieser Stelle ist: Wertschätzung. Wertschätzung für Arbeiten, die wir ganz selbstverständlich auf Frauen abwälzen, weil es für den Rest von uns bequem und billig ist. Wenn wir uns daran erinnern was Personen aufgeben, um ihre Kinder zu erziehen und ihre Familienmitglieder zu pflegen, sollte es uns mehr wert sein als ein gelegentliches, halbherziges Dankeschön.
An dieser Aufgabe müssen wir politisch arbeiten. Nicht nur zur „Women’s Week“, sondern ständig, durchgehend und vor allem ohne Unterlass.
Glück auf und Freundschaft!
 

*1 https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/oxfams-studie-sozialer-ungleichheit-12-milliarden-stunden-arbeit-ohne-bezahlt

*2 2 https://www.youtube.com/watch?v=MOqEcaDKyNE&t=1s

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1. März 2021